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Digitale Erschöpfung: Was zu viel Handy & Co. mit unserem Körper machen

Ein Erwachsener checkt im Schnitt 88-mal am Tag sein Smartphone. Die meisten bemerken es nicht einmal. Scrollen im Sekundentakt, ein ständiges Flackern vor den Augen – und kaum jemand fragt sich, was dieser permanente Reizsturm mit dem eigenen Körper anrichtet. Konzentrationsprobleme, innere Unruhe, chronische Müdigkeit – Symptome, die viele als gegeben hinnehmen. Aber was, wenn dahinter mehr steckt? Wenn der Körper längst rebelliert, während der Kopf noch in digitalen Welten kreist? Wie gefährlich ist der stille Stress aus dem Smartphone eigentlich?

Der Nacken brennt, der Kiefer knirscht – wenn das Handy den Körper stilllegt

Ein verspannter Nacken ist fast schon ein Klassiker der Bildschirmgesellschaft. Was viele nicht wissen: Die Belastung endet nicht am Schultergürtel. Wer stundenlang auf das Handy starrt, verkrümmt nicht nur seine Haltung. Auch der Kiefer leidet – still, aber stetig. Orthopäden und Zahnärzte berichten von einem auffälligen Anstieg stressbedingter Kieferverspannungen. “Viele Patienten pressen oder beißen unbewusst auf die Zähne, während sie aufs Display starren”, erklärt Dr. Anja Kessler, Fachärztin für Kieferorthopädie in München. Das Phänomen hat einen Namen: Bruxismus. Früher galt das Zähneknirschen als nächtliches Problem – heute knirscht die Republik auch bei Tageslicht.

Die Folgen zeigen sich nicht nur im Muskelapparat, sondern graben sich oft tief in die Zahnsubstanz ein. Wer dauerhaft unbewusst mit den Zähnen presst, reibt oder beißt, setzt seine Kauflächen einer enormen mechanischen Belastung aus. Feine Haarrisse entstehen im Zahnschmelz, der eigentlich als härtester Stoff des Körpers gilt. Dieser mikroskopische Schaden bleibt zunächst unbemerkt – bis Temperaturempfindlichkeiten, Schmerzen beim Kauen oder sogar Substanzverluste die ersten Warnzeichen setzen.

Viele Dentisten sehen in ihren Praxen zunehmend Patientinnen, deren Beschwerden auf nichts anderes als massiven Stress und unbewusste Kieferaktivität zurückzuführen sind. In Starnberg beispielsweise berichtet ein erfahrener Zahnarzt in Starnberg von einer wachsenden Zahl junger Menschen, deren Zähne nicht durch Karies, sondern durch sogenannte Abrasionen – also Abnutzungen durch Zähnepressen – geschädigt sind. Kein Wunder, denn das Gebiss ist für das Kauen von Nahrung gebaut, nicht für den ständigen Druck innerer Anspannung.

Schlaf ohne Erholung – wenn der Bildschirm bis in die Träume reicht

Nachtschweiß, Zähneknirschen, unruhige Beine – das moderne Schlafverhalten gleicht zunehmend einem körperlichen Ausnahmezustand. Wer abends noch durch soziale Feeds scrollt, lässt sein Gehirn auf Hochtouren laufen, während der Körper bereits Ruhe fordert. Die Folgen sind fatal: Der Schlaf wird flach, unruhig, zerstückelt. Die Tiefschlafphasen – in denen der Körper regeneriert, das Immunsystem arbeitet, Erinnerungen gefestigt werden – bleiben aus. Laut einer Studie der Charité Berlin zeigen Menschen, die in der letzten Stunde vor dem Schlafen auf einen Bildschirm schauen, eine um bis zu 47 Prozent reduzierte Tiefschlafaktivität.

Besonders problematisch ist das Blaulicht moderner Displays. Es hemmt die Ausschüttung von Melatonin, dem natürlichen Einschlafhormon, und schiebt die innere Uhr durcheinander. Ein Effekt, den selbst Nachtmodi oder Filter-Apps nur unzureichend kompensieren. Eine Neurologin bringt es auf den Punkt: „Das Gehirn erkennt keinen Feierabend mehr. Es arbeitet gegen die biologische Uhr.“

Körper in Alarmbereitschaft – wenn Reize zu viel werden

Es beginnt mit kleinen Dingen. Flackernde Pop-ups, ständige Benachrichtigungen, vibrierende Handys auf dem Tisch. Jede dieser scheinbar harmlosen Störungen aktiviert im Gehirn das sogenannte salience network – ein neuronales Alarmsystem, das Wichtiges von Unwichtigem trennen soll. Das Problem: Der Dauereinsatz führt dazu, dass der Körper in einen Zustand chronischer Reizbereitschaft verfällt. Herzfrequenz und Atemrate steigen messbar an, selbst wenn man sich eigentlich ausgeruht fühlt.

Die Stresshormone Cortisol und Adrenalin bleiben dauerhaft erhöht – ein Zustand, den die Medizin als low-grade inflammation bezeichnet. Das Immunsystem gerät in einen subtilen Entzündungszustand. Folge: Konzentrationsprobleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sogar depressive Episoden nehmen messbar zu. Das zeigen Daten des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, das seit Jahren den Einfluss digitaler Medien auf neuronale Belastungsprofile erforscht.

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